International Employment
EU: Urteil zur Bereitschaftszeit als Arbeitszeit
In der Rechtssache C-518/15, Ville de Nivelles / Rudy
Matzak, hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH)
unter anderem darüber zu entscheiden, ob Zeiten
für Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit im Sinne der
Richtlinie 2003/88/EG angesehen werden können.
Herr Rudy Matzak wurde 1981 freiwilliger
Feuerwehrmann im Feuerwehrdienst von Nivelles
(Belgien). Außerdem ist er Angestellter eines
Privatunternehmens. Der Feuerwehrmann war neben
seinem Hauptdienst verpflichtet, sich jeden Monat
während einer Woche zu Hause beziehungsweise
in der Nähe seines Beschäftigungsortes bereit
zu halten. Eine besondere Vergütung für diesen
Bereitschaftsdienst erhielt er nicht. Im Jahr 2009
klagte er gegen die Stadt Nivelles auf u. a. eine
Entschädigung für seine zu Hause geleisteten
Bereitschaftsdienste, die seiner Ansicht nach
als Arbeitszeit einzuordnen sind. Der mit dem
Rechtsmittel in diesem Rechtsstreit befasste
Arbeitsgerichtshof Brüssel hat entschieden, den EuGH
zu befragen. Insbesondere war die Frage zu klären,
ob die zu Hause geleisteten Bereitschaftsdienste
unter die Definition der Arbeitszeit im Sinne des
Unionsrechts fallen.1
In seinem Urteil vom 21.02.2018 weist der EuGH
darauf hin, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten
nicht gestattet, eine andere Definition des Begriffs
„Arbeitszeit“ beizubehalten oder einzuführen als
die in der Richtlinie bestimmte. Der EuGH weist
jedoch auch darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten
freisteht, in ihrem jeweiligen nationalen Recht
Regelungen zu treffen, die günstigere Arbeits-
und Ruhezeiten für Arbeitnehmer vorsehen als
die in der Richtlinie festgelegten. Ferner regelt
die Richtlinie nicht die Frage des Arbeitsentgeltes
für Arbeitnehmer, da dieser Aspekt außerhalb der
Zuständigkeit der Union liegt. Die Mitgliedstaaten
können somit in ihrem nationalen Recht bestimmen,
dass das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers für die
„Arbeitszeit“ von dem für die „Ruhezeit“ abweicht,
und dies sogar so weit, dass für letztere Zeiten gar
kein Arbeitsentgelt gewährt wird.
Schließlich stellt der EuGH klar, dass die
Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause
verbringen muss und während deren er der
Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers
zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu
leisten, als „Arbeitszeit“ anzusehen ist, weil damit
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die Möglichkeit eingeschränkt wird, anderen
Tätigkeiten nachzugehen. Insoweit ist für die
Einordnung als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie
entscheidend, dass sich der Arbeitnehmer an
dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten
und diesem zur Verfügung stehen muss, um
gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen
erbringen zu können.
Der EuGH stellte fest, dass Herr Matzak während
seines Bereitschaftsdienstes nicht nur erreichbar
sein musste. Er war auch verpflichtet, einem Ruf
seines Arbeitgebers zum Einsatzort innerhalb von
acht Minuten Folge zu leisten. Er musste an einem
von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort persönlich
anwesend sein. Selbst wenn es sich bei diesem Ort
um den Wohnsitz des Arbeitnehmers und nicht
um seinen Arbeitsplatz handelt. Die Verpflichtung
persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort
anwesend zu sein verbunden mit der Einschränkung,
die sich aus diesem Erfordernis in geografischer
und zeitlicher Sicht ergibt, ist es dem Arbeitnehmer
nicht möglich, sich seinen persönlichen und
sozialen Interessen zu widmen. Diese Situation
unterscheidet sich von der eines Arbeitnehmers, der
während seines Bereitschaftsdienstes einfach nur
für seinen Arbeitgeber erreichbar sein muss.
(Aleksandra Pieczynska)
Quellen:
• Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.02.2018, in der
Rechtssache C-518/15,
• Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 14/18,
Luxemburg 21.02.2018
1 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
(Abl. 2003, L 299, S. 9).
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