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Heuser Magazin 03-2014

Legal Management Wirksamkeit einer Verdachtskündigung Ein bei einer Rundfunkanstalt angestellter und seit Monaten erkrankter IT-Techniker stand im Ver-dacht der Bestechlichkeit. Es wurden hausinterne Ermittlungen durchgeführt, deren Ergebnisse in einem Bericht vom 7.12.2010 zusammengefasst und der Geschäftsleitung vorgelegt wurden. Mit Schreiben vom 8.12.2010 lud die Rundfunk-anstalt den IT-Techniker zu einer Anhörung in ihre Geschäftsräume ein. Diese Anhörung sollte am 13.12.2010 stattfinden. Am 12.12.2010 teilte der Mitarbeiter per E-Mail mit, dass er nicht erschei-nen könne. Er bat darum, die Fragen direkt an seinen Anwalt zu schicken. Der Arbeitgeber tat dies am 14.12.2010 und räumte eine Stellungnah-mefrist bis zum 17.12.2010 ein. Daraufhin schrieb der Anwalt, der IT-Techniker befinde sich noch bis zum 11.1.2011 in einer Reha-Maßnahme. Da-nach werde die Angelegenheit mit ihm anwaltlich ausführlich besprochen werden müssen. Der Mit-arbeiter könne die gestellten Fragen deshalb vor-läufig nicht beantworten. Der Arbeitgeber wartete die Antworten des IT-Technikers nicht ab und kündigte ihm nach An-hörung des Betriebsrats ohne weitere Anhörung mit Schreiben vom 27.12.2010. Das Bundesarbeitsgericht erklärte dies für nicht von vornherein rechtswidrig. Eine Verdachts-kündigung sei auch dann zulässig, wenn der Ar-beitgeber auf eine Anhörung verzichte, weil der 08 • www.heuser.de Arbeitnehmer nicht bereit sei, an der Aufklärung beste-hender Verdachtsmomente mitzuwirken. Das könne auch bei einem unfreiwilligen Schweigen des Mitarbeiters gelten. Sei dieser z. B. krankheitsbe-dingt längere Zeit an einer Stellungnahme gehindert, müsse der Arbeitgeber nicht zwingend warten, bis sich der Arbeitnehmer wieder äußern könne. Die Vorinstanz war noch davon ausgegangen, dass die Rundfunkanstalt länger mit der Kündigung hätte war-ten müssen. Sie hatte darauf abgestellt, dem Kläger sei es wegen seiner Erkrankung und der Durchführung der Reha-Maßnahme nicht möglich gewesen, den Fragen-katalog innerhalb der gesetzten Frist angemessen zu beantworten. Er sei von den betrieblichen Informationsquellen ab-geschnitten gewesen, die möglicherweise Entlastungs-material hätten liefern können. Außerdem – so noch die Vorinstanz – habe die zeitliche Beanspruchung des Klägers durch Therapieeinheiten die ihm zur Ver-fügung stehende Zeit zur Stellungnahme erheblich ein-geschränkt. In Bezug auf beide Aspekte sah das Bundesarbeitsge-richt den Sachverhalt aber nicht als ausreichend geklärt an und verwies deshalb die Sache zur weiteren Sach-verhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurück. Feststellen lässt sich somit, dass Arbeitgeber nicht un-begrenzt abwarten müssen, bevor sie eine Verdachts-kündigung gegenüber Arbeitnehmern aussprechen dürfen, die sich noch nicht zu den Verdachtsgründen haben äußern können oder wollen.


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