KÜNDIGUNGSSCHUTZ IM ARBEITSRECHT
- simonhsr11
- 18. Sept.
- 7 Min. Lesezeit
Was bedeutet Kündigungsschutz im Arbeitsrecht?
Unter Kündigungsschutz im Arbeitsrecht versteht man rechtliche Vorschriften, die die ordentliche (fristgemäße) Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausschließen oder erschweren.
Regelungen, die eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer ausschließen oder erschweren, werden traditionell nicht zum Kündigungsschutz gezählt.
Die wichtigsten Kündigungsschutzvorschriften sind in arbeitsrechtlichen Gesetzen enthalten wie z. B. im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) oder im Mutterschutzgesetz (MuSchG). Auch Tarifverträge und Arbeitsverträge können Regelungen zum Kündigungsschutz beinhalten.
Allgemeiner Kündigungsschutz
Den allgemeinen Kündigungsschutz kann jeder Arbeitnehmer erlangen. Er muss nur mehr als sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt sein, der regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter hat. Bestand das Arbeitsverhältnis schon vor 2003 reicht es aus, wenn damals regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt wurden, sofern über fünf der heutigen Mitarbeiter schon vor 2003 beschäftigt waren und es seitdem ohne Unterbrechung geblieben sind.
Während der Probezeit dürfen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit einer verkürzten Kündigungsfrist von zwei Wochen das Arbeitsverhältnis kündigen. Allerdings greift während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses der Kündigungsschutz noch nicht. Die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses sind also quasi eine gesetzliche Probezeit. In dieser Zeit kann jedes Arbeitsverhältnis mit der Überlegung, dass der Mitarbeitende für eine bestimmte Stelle nicht geeignet ist, gekündigt werden.
Gesetzliche Gründe einer Kündigung
Gegenüber Arbeitnehmern, die den sog. allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besitzen, sind Kündigungen nur wirksam, wenn sie mindestens aus einem von drei im Kündigungsschutzgesetz genannten Gründen erfolgen.
Gemäß § 1 KSchG muss eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers
durch Gründe in der Person und/oder
durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers und/oder
durch betriebsbedingte Gründe
bedingt und außerdem im Einzelfall verhältnismäßig sein. Nur dann ist sie „sozial gerechtfertigt“ und somit wirksam.
Dementsprechend unterscheidet man zwischen personenbedingten, verhaltensbedingten und betriebsbedingten Kündigungen. Der praktisch wichtigste Unterfall einer personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung. Erkrankungen stellen in der Person liegende Umstände dar und können den Arbeitgeber unter engen Voraussetzungen zu einer (krankheitsbedingten) Kündigung berechtigen.
Die oben genannten drei Gründe müssen auch tatsächlich vorhanden sein. Es genügt daher nicht, wenn man als Arbeitgeber ihr Vorliegen einfach behauptet. Im Falle einer Kündigungsschutzklage überprüfen die Arbeitsgerichte sehr genau, ob die Kündigung tatsächlich gemäß den Vorschriften des KSchG sozial gerechtfertigt ist.
Interessenabwägung - Verhältnismäßigkeit einer Kündigung
Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte setzt jede ordentliche Kündigung eine Interessenabwägung voraus, die zu Gunsten des Arbeitgebers ausgehen muss, sonst ist die Kündigung unwirksam. Die Kündigung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses darf nur das letzte Mittel sein. Man bezeichnet dies als Ultima-ratio-Prinzip.
Was wird berücksichtigt?
Bei dieser Interessenabwägung können das frühere Verhalten des Arbeitnehmers, eine vorangegangene Abmahnung, die Art und Schwere sowie Häufigkeit eines Fehlverhaltens, ein etwaiges (Mit-)Auslösen des Verhaltens durch den Arbeitgeber, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, die Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie etwaige Versetzungsmöglichkeiten und betriebliche Erfordernisse berücksichtigt werden. Schon diese vielen bei der Abwägung zu berücksichtigenden Punkte zeigen, dass die Arbeitsgerichte hier einen weiten Spielraum haben.
Vorrang der Änderungskündigung vor einer Beendigungskündigung
Eine Kündigung darf nach Meinung der Arbeitsgerichte für den Arbeitgeber nur das letzte Mittel sein. Deshalb verlangen sie beispielsweise vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung, dass dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung zunächst ein etwaig freier anderer Arbeitsplatz angeboten werden muss.
Anbieten muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung u. U. auch einen freien schlechteren Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber ist dann gehalten, statt einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung auszusprechen. Der Arbeitgeber muss dann kündigen und dem Arbeitnehmer gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen (hier: auf einem anderen – schlechteren und vielleicht auch geringer bezahlten – Arbeitsplatz) anbieten. Man bezeichnet dies als Vorrang der Änderungskündigung vor einer Beendigungskündigung.
Wovor schützt der allgemeine Kündigungsschutz nicht?
Der Schutz vor Kündigungen durch § 1 KSchG ist allerdings begrenzt. Denn wenn sich der Arbeitgeber auf einen der o.g. Gründe stützen kann und die Kündigung verhältnismäßig ist, hilft der allgemeine Kündigungsschutz gemäß § 1 KSchG nicht mehr weiter.
Außerdem schützt § 1 KSchG nicht vor außerordentlichen Kündigungen. Können sich Arbeitgeber auf einen "wichtigen Grund" gemäß § 626 Abs.1 BGB stützen, ist eine außerordentliche Kündigung wirksam.
„Besonderer“ Kündigungsschutz
Bestimmte Arbeitnehmer genießen einen speziellen („besonderen“) Kündigungsschutz außerhalb des ersten Abschnitts des KSchG. Sie sind nicht nur nach den obigen Regeln des allgemeinen Kündigungsschutzes, sondern noch stärker geschützt.
Welche Arbeitnehmer haben besonderen Kündigungsschutz?
Zu diesen besonders geschützten Arbeitnehmern gehören insbesondere Mitglieder des Betriebsrats, Schwangere und schwerbehinderte Menschen.
Mitglieder des Betriebsrats können nur bei einer Betriebs- oder Abteilungsschließung ordentlich gekündigt werden, d. h. ansonsten ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Darüber hinaus braucht der Arbeitgeber für eine außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds die vorherige Zustimmung des Betriebsrats. Wird die Zustimmung verweigert, muss der Arbeitgeber sie vor Ausspruch der Kündigung arbeitsgerichtlich, d. h. durch die Zustimmung eines Arbeitsgerichts, ersetzen lassen.
Auch Schwangere und junge Mütter bis vier Monate nach der Entbindung genießen Sonderkündigungsschutz. Sie können gemäß Vorschriften des Mutterschutzgesetzes im Allgemeinen nicht gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei der Kündigung die Schwangerschaft bzw. die Entbindung bekannt war. In Ausnahmefällen können auch Schwangere und Frauen kurz nach der Entbindung gekündigt werden, was allerdings eine vorherige Entscheidung der obersten Landesarbeitsschutzbehörde voraussetzt, d. h. diese Behörde muss die Kündigung vorab für zulässig erklären.
Auch für die Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmers im Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs brauchen Arbeitgeber eine vorherige behördliche Zustimmung, nämlich des Integrationsamtes. Außerdem müssen Arbeitgeber, falls in ihrem Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung (SBV) gebildet ist, die SBV vor der geplanten Kündigung anhören. Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts oder ohne korrekte Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist unwirksam.
Kündigungsschutzklage und Verfahren
Was ist eine Kündigungsschutzklage?
Eine Kündigungsschutzklage ist ein rechtliches Verfahren, bei dem ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung durch den Arbeitgeber klagt. Dabei prüft das Arbeitsgericht, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt und die gesetzlichen Kündigungsvorschriften eingehalten wurden.
Wann fällt das Arbeitsverhältnis unter das Kündigungsschutzgesetz?
Das gekündigte Arbeitsverhältnis fällt unter das Kündigungsschutzgesetz, wenn der Betrieb regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt und der Gekündigte dort seit mehr als 6 Monaten beschäftigt ist.
Werden im Betrieb zwar nicht mehr als 10, aber mindestens 5 Arbeitnehmer beschäftigt, gilt Folgendes: Für alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2004 begann, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Für alle anderen Arbeitnehmer gilt es nicht.
Fällt das Arbeitsverhältnis nicht unter das Kündigungsschutzgesetz, etwa bei sogenannten Kleinbetrieben mit weniger als 5 Beschäftigten, kann die Kündigung nicht auf ihre soziale Rechtfertigung überprüft werden. Es kann nur überprüft werden, ob die Kündigung nach allgemeinen Rechtsprinzipien unzulässig ist, z. B. wegen Sittenwidrigkeit.
Gegen welche Kündigungen können Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erheben?
Mit der Kündigungsschutzklage können Arbeitnehmer gegen jede Kündigung durch den Arbeitgeber vorgehen, egal ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung oder eine Änderungskündigung handelt.
Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens
Klageerhebung
Das Kündigungsschutzverfahren beginnt mit der Einreichung der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der schriftlichen Kündigung eingereicht werden. Innerhalb dieser Frist muss die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingehen. Es ist nicht ausreichend, die Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist zur Post zu geben, wenn sie erst nach Fristablauf beim Arbeitsgericht eingeht.
Wird die Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingereicht, gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam und das Arbeitsverhältnis endet. Eine spätere Anfechtung der Kündigung ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich.
Wird die 3-Wochen-Frist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage verpasst, kann in seltenen Ausnahmefällen ein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage beim Arbeitsgericht gestellt werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Arbeitnehmer trotz aller zumutbaren Sorgfalt daran gehindert war, die Klage rechtzeitig einzureichen. Den Arbeitnehmer darf also kein Verschulden an der Fristversäumnis treffen. Zum Beispiel, wenn er drei Wochen im Urlaub im Ausland war, nicht mit der Kündigung gerechnet hat und die Kündigung am ersten Urlaubstag zugestellt wurde, sodass die Frist bei der Rückkehr bereits abgelaufen ist. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage muss in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Verspätung gestellt werden.
Die Klage kann auch mit Unterstützung der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts eingereicht werden. Ein Rechtsanwalt ist vor dem Arbeitsgericht weder für die Klageeinreichung noch für den Prozess zwingend vorgeschrieben.
Güteverhandlung
In der Regel findet innerhalb weniger Wochen nach Klageeinreichung zunächst eine Güteverhandlung statt, in der versucht wird, das Verfahren durch einen Vergleich zu beenden. Ein Vergleich ist eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen den Parteien des Rechtsstreits. In der Regel einigen sich beide Parteien darin auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Weitere häufige Regelungen betreffen die Zahlung einer Abfindung, die Abgeltung von Urlaubstagen und die Erstellung eines Zeugnisses. Ein Anspruch auf eine Abfindung besteht andernfalls grundsätzlich nicht.
Kammertermin und Urteil
Gelingt eine einvernehmliche Einigung nicht, legt das Gericht einen weiteren Termin fest (sog. Kammertermin). Bei diesem Termin sind neben dem vorsitzenden Richter auch zwei ehrenamtliche Richter an der Entscheidung beteiligt. Je nach Fall geht dem Kammertermin ein mehr oder weniger umfangreicher und langwieriger Schriftwechsel zwischen den Parteien bzw. ihren Prozessvertreter voraus.
Auch in diesem Stadium des Verfahrens ist der Abschluss eines Vergleichs noch möglich. Kommt es dazu nicht und wird das Verfahren auch nicht anderweitig beendet (z. B. durch Rücknahme der Klage), entscheidet das Gericht in einem Urteil über die Wirksamkeit der Kündigung. Kann der Arbeitgeber seine Kündigung nicht rechtfertigen bzw. die dafür angegebenen Gründe nicht beweisen, wird das Gericht der Kündigungsschutzklage stattgeben.
Berufung
Gegen dieses Urteil kann die unterlegene Partei in der Regel Berufung einlegen, über die das Landesarbeitsgericht entscheidet. Bis zu einer abschließenden Entscheidung können in diesem Fall mehrere Monate vergehen.
Wann lohnt sich eine Kündigungsschutzklage?
Eine Kündigungsschutzklage lohnt sich in der Regel, wenn die Kündigung wahrscheinlich rechtsunwirksam ist. Dies kann der Fall sein, wenn kein Kündigungsgrund vorliegt, der Arbeitgeber diesen nicht beweisen kann oder der Betriebs- bzw. Personalrat nicht angehört wurde. Mit der Kündigungsschutzklage kann man entweder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder eine Abfindung erreichen.
Die meisten Prozesse vor dem Arbeitsgericht enden mit einem Vergleich, in dem sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet und weitere Regelungen (z. B. zur Abgeltung von Urlaubstagen oder zur Erstellung eines Zeugnisses) getroffen werden. Zum Abschluss eines solchen Vergleichs wird sich der Arbeitgeber in der Regel nur bereit erklären, wenn die Kündigung nicht ohnehin schon wegen Ablaufs der Klagefrist als rechtswirksam gilt.
Aber auch wenn die Kündigung (voraussichtlich) rechtswirksam ist, kann sich eine Kündigungsschutzklage lohnen. In vielen Fällen ist nämlich auch für den Arbeitgeber nicht klar, ob er den Prozess gewinnen wird – dies steigert seine Bereitschaft, einen Vergleich abzuschließen.
Zudem können Arbeitnehmer sich auch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses nach einer neuen Stelle umsehen.
Ist eine Kündigungsschutzklage überflüssig, wenn der Arbeitgeber die Kündigung zurücknimmt?
Nein, die Kündigungsschutzklage ist auch dann nicht überflüssig, wenn der Arbeitgeber die Kündigung einseitig zurücknimmt. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen ist die einseitige Rücknahme der Kündigung nur bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bei dem Arbeitnehmer möglich. Eine bereits zugegangene Kündigung kann nicht mehr einseitig durch den Arbeitgeber zurückgenommen werden. Oft ist die Erklärung des Arbeitgebers, er nehme die Kündigung zurück, daher so zu verstehen, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet. Dies ist nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers möglich. Die bloße Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist nicht als Zustimmung zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu sehen. Die einmal erklärte Kündigung bleibt also bestehen.
Zum anderen gehen Arbeitnehmer, die sich auf die Rücknahme der Kündigung des Arbeitgebers verlassen, ein Risiko ein. Denn wenn der Arbeitgeber plötzlich nichts mehr von der Rücknahme wissen will und wieder an der Kündigung festhalten möchte, droht der Verlust des Kündigungsschutzprozesses.
Auch für eine „zurückgenommene“ Kündigung gilt nämlich die 3-Wochen-Frist zur Klageerhebung.
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